Petition an den Sächsischen Landtag im Zusammenhang mit der Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Höhere Lehramt an Gymnasien im Freistaat Sachsen

Nach erfolgloser Bewerbung um einen Referendariatsplatz in Sachen und ausgeprägten Unrechtsempfinden wendete ich mich im September 2008 mit einer Petition an den Petitionsausschuss des Sächsischen Landtags. Nachstehend wird der Fragenkatalog und die Antworten der Landesbeamten wiedergegeben. Antworten des Ausschusses sind so „…“ markiert.

 

„Der 4. sächsische Landtag hat am 12. März 2009 gemäß der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (Drucksache 4/14869) die Petition für erledigt erklärt. Beigefügt ist ihr Bericht.

 

Petition 04/04294/4“

 

Vorerst mein Werdegang:

Nach meinem Doppelstudium im pädagogischen Bereich legte ich 2007 erfolgreich die Erste Staatsexamensprüfung für Gymnasien mit den Fächern Kunst und Deutsch (Note: 2,1) und die Bachelorprüfung für (außerschulische) Kunstpädagogik (Note: 1,5) an der Universität Leipzig ab. Anschließend war ich ein Jahre kulturpolitisch als Freiwilligen im FSJ Kultur tätig. Die Bewerbung um einen Referendariatsplatz in Sachsen blieb erfolglos. Im September 2008 nahm ich eine befristete Stelle  als Kunstpädagogin an einem Gymnasium in Nordrhein Westfalen (NRW) an.

Zu Beginn des Jahres des Jahres 2008 wurde Lehramtanwärtern, die sich um einen Referendariatsplatz bei der Sächsischen Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig bewarben, zugesichert, dass sich die Lage im Bewerbungsverfahren um Referendariatsplätze in Sachsen entspannt hätte, dass man sich „keine Sorgen“ solle. Mitte des Jahres kamen mit der Absage das böse Erwachen und zahlreiche Fragen auf. Auf Nachfrage im Rahmen eines Widerspruchs an die Sächsische Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig, zu diesem Sachverhalt erhielt ich keine Antwort.

 

Daher stelle ich die Fragen erneut.

 

„Die Petentin begehrt die Beantwortung ihrer Fragen über die Notwendigkeit des Zulassungsverfahrens zum pädagogischen Vorbereitungsdienst im Freitstaat Sachsen und zieht Vergleiche zur Praxis in Nordrhein-Westfalen. Gleichlautende Schreiben hat sie sowohl an die Sächsische Bildungsagentur als auch an den Bürgerbeauftragten des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus gesandt.

Nach ihrem Lehramtsstudium und der Bachelorprüfung für (außerschulische) Kunstpädagogik an der Universität Leipzig hat die Petentin 2007 die erste Staatsprüfung für das Höhere Lehramt an Gymnasien (Fächerkombination: Deutsch/Kunst) bestanden, sich jedoch erfolglos zum 1. August 2008 um Zulassung zum Vorbereitungsdienst beworben. Ihren Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Sächsischen Bildungsagentur hat sie im September 2008 zurückgenommen, gleichzeitig aber die Petition angekündigt.

Eigener Darstellung zufolge unterrichtet die Petentin seit September 2008 im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses (Elternzeitvertretung) an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen.

Die in  der Petition gestellten Fragen werden nachstehend wiedergegeben und einzeln beantwortet.“

 

A) Wie kommt es dazu, dass sich die Situation um den Vorbereitungsdienst seit 2006 (mehr Bewerber als Ausbildungsstellen, Anm. d. Verf.) so entwickelt hat?

„Die Ausbringung der Stellen für Anwärter und Referendare basiert auf Prognosen. Auch durch die zunehmende Anzahl von Absolventen, die ihr Lehramtsstudium an Hochschulen außerhalb Sachsens beendet haben, sich aber auch im Freistaat Sachsen um Zulassung zum Vorbereitungsdienst bewerben, übersteigt die Zahl der Bewerber die Anzahl der ausgebrachten Stellen.

Der Sächsische Landtag hat in Kenntnis dieser Situation im Vergleich zum Doppelhaushalt 2005/2006 die Zahl der Stellen für Anwärter und Referendare in den Jahren 2007 und 2008 um jeweils 300 erhöht.“

 

B) Welche Möglichkeiten hat das Land, bildungspolitisch zu steuern (zu Beispiel durch Beschränkung der Zulassung für Lehramtsstudiengänge)? Welche Maßnahmen wurden umgesetzt?

„Die Möglichkeiten einer Steuerung durch das Land sind begrenzt. Zu Beginn des Studiums entscheiden Hochschulen selbst über eine Beschränkung der Zulassung bzw. hinsichtlich der Auswahl der Studentinnen und Studenten für Lehramtsstudiengänge.“

 

C) Wie lässt sich erklären, dass in einem laufenden Bewerbungsverfahren das Kultusministerium eine Zulassungsbeschränkungsverordnung erlässt und die Bewerber nicht zeitnah darüber in Kenntnis setzt?

„Die Frage, ob überhaupt eine Zulassungsbeschränkungsverordnung erforderlich ist, stellt sich für das Sächsische Staatsministerium für Kultus erst, wenn die Zahl der Bewerber die Zahl der besetzbaren Ausbildungsstellen überschreitet. Dies lässt sich im März des jeweiligen Jahres beurteilen, da bis zum 1. März die Anträge auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst bei der Sächsischen Bildungsagentur gestellt werden können, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen im Freistaat Sachsen (Lehramtsprüfungsordnung II – LAPO II) vom 19. Juli 2007 (SächsGVBI. S. 301, 302).

Die Zulassungsbeschränkungsverordnung für den pädagogischen Vorbereitungsdienst wurden jeweils vorschriftsmäßig im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht. Die aktuelle Zulassungsbeschränkungsverordnung ist zudem in das Internet über den Sächsischen Bildungsserver eingestellt. Einer gesonderten Information der Bewerber bedurfte es daher nicht.“

 

D) Wie lässt sich rechtlich und moralisch erklären, dass im Bewerbungsverfahren ein Los über Zulassung oder Nichtzulassung entscheidet?

„Die Losentscheidung für die Vergabe eines Ausbildungsplatzes ist rechtlich nicht zu beanstanden, sofern die vorrangig einschlägigen Zulassungskriterien die Bildung einer Rangfolge unter den verbleibenden Bewerbern nicht ermöglichen  (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 2, Halbs. 2 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Zulassungsbeschränkungen für den Vorbereitungsdienst für Lehrämter (Zulassungsbeschränkungsverordnung – ZulbeschrVO) vom 19. Mai 2008.“

 

Im Rahmen meiner kunstpädagogischen Tätigkeit an einem Gymnasium in NRW erhielt ich Einblick in die Bildungspolitik des Landes.

  1. Ich wurde trotz fehlenden Zweite Staatsexamen eingestellt. Die Stelle ist eine befristete Elternzeitvertretung  im Rahmen des Programms „Flexible Mittel für Vertretungsunterricht“.
  2. Die Schule hat die Stelle ausgeschrieben und das Bewerbungsverfahren organisiert.
  3. Zeugnisse wurden erst im Rahmen des Personalbogens verlangt, nachdem der Arbeitsvertrag unterschrieben war.

 

E) Wäre so ein Einstellungsverfahren (befristete Einstellung eines Studienabsolventen ohne zweite Staatsprüfung unmittelbar durch die Schule, Anm. d. Verf.) auch in Sachsen denkbar?

„Die Sächsische Bildungsagentur stellt im Interesse der Schülerinnen und Schüler grundsätzlich nur Bewerber ein, die über eine ausreichende Qualifikation als Lehrkraft verfügen; die ist regelmäßig das erfolgreiche Bestehen der Ersten und Zweiten Staatsprüfung.

In Ausnahmefällen, z. B. bei einem unvorhersehbaren Mangel an einzelnen Lehrkräften mit ausgewählten Fächern bzw. Fachkombinationen, kann es zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung gerechtfertigt sein, Studienabsolventen befristet zu beschäftigen.“

 

F) Gibt es ein ähnliches Programm („Flexible Mittel für Vertretungsunterricht“, Anm. d. Verf.) zur Förderung von Vertretungsunterricht?

„Die Haushaltsmittel zur Vergütung der Lehrkräfte werden grundsätzlich durch die Personal verwaltende Behörde (Sächsische Bildungsagentur) bewirtschaftet; eine Budgetierung der Schulen ist bislang nicht vorgesehen.“

 

G) Kann eine staatliche sächsische Schule eine Stelle ausschreiben?

„In Einzelfällen können berufsbildende Schulen Stellen ausschreiben, hierbei handelt es sich regelmäßig um Lehrkräfte für den fachpraktischen Unterricht, also z. B. Handwerksmeister.“

 

In den ersten Tagen an der Schule unterhielten wir uns im Kollegium auch über Unterschiede in der Bildungspolitik der Länder. Dass ein nahtloser Übergang vom Studium zum Referendariat durch das Land nicht gewährleistet wurde, stieß bei den Lehrern und Lehrerinnen in NRW auf Verwunderung. Ich hakte nach. Man müsste sich in NRW nicht um einen Referendariatsplatz bewerben, sondern bekäme ihn gewissermaßen automatisch, da der Vorbereitungsdienst als Teil der Lehramtsausbildung verstanden wird und das Land gewährleistet, dass die Ausbildung auch zu Ende gebracht werden kann.

 

H) Warum ist dieses Vorgehen nicht auch in Sachsen möglich? Junge Menschen, die die Lehramtsausbildung mit dem Studium aufnehmen, haben das Recht, dass ihre Ausbildung nahtlos beendet werden kann.

„Der sehr großen Zahl von Bewerbern standen auch 2008 nur begrenzt Ausbildungsplätze und personelle sowie sächliche Ausbildungskapazitäten (Lehrbeauftragte und Ausbildungsschulen) gegenüber. Die ZulBeschrVO war erforderlich, um an Hand nachvollziehbarer Kriterien das Auswahlverfahren zu regeln und eine gleichmäßige Auslastung der Ausbildungskapazitäten in den einzelnen Lehrämtern zu gewährleisten. Die Verordnung stelt überdies sicher, dass sämtliche Bewerber die Aussicht haben, innerhalb einer zumutbaren Wartezeit in den Vorbereitungsdienst aufgenommen zu werden. Gleichwohl beabsichtigen nicht alle Studienabsolventen, unmittelbar nach ihrer universitären Ausbildung den Vorbereitungsdienst zu beginnen, einige orientieren sich beruflich neu oder stellen das Referendariat aus privaten Gründen ganz zurück. Ein Antrag auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst ist daher in jedem Fall erforderlich.“

 

Zudem, wenn es ein Auswahlverfahren um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst gibt, dann sind persönliche Angaben, Examensnoten und Nachweise über Härtefallregelungen nicht ausreichend, um Leistung und Eignung zu ermessen, die ein angehender Pädagoge mitbringt. Die Antragsformulare fragen nicht nach einem Bewerbungsschreiben geschweige denn nach einem Motivationsschreiben. Qualifikationen über das Lehramtsstudium hinaus, pädagogischen Erfahrungen, Fähigkeiten und Kompetenzen, die sich nicht mit einer Note bemessen lassen, haben keine Platz. Ein Bewerbungsgespräch findet nicht statt.

 

I) Warum verläuft das Auswahlverfahren um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst in Sachsen so (ohne Bewerbungsgespräch, Anm. der Verf.)?

„Der Vorbereitungsdienst ist für alle Lehrämter „Ausbildungsstätte“ im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz, weil er von allen Bewerbern durchlaufen werden muss, um die nur über diese Einrichtung erreichbare Zweite Staatsprüfung ablegen zu können, die Voraussetzung für die Ausübung des Lehrerberufs ist. Jeder Bewerber, der die Erste Staatsprüfung oder eine gleichwertige Prüfung bestanden hat, hat daher einen Rechtsanspruch auf Zulassung zum Vorbereitungsdienst, ohne dass es auf das Ergebnis eines etwaigen Bewerbungsgesprächs ankäme.

Ein Bewerbungsgespräch wird erst bei einer beabsichtigen (endgültigen) Einstellung in den Schuldienst geführt.“

 

J) Nach welchen Kriterien werden „Eignung und Leistung“ bewertet? Die Zulassungsbeschränkungsverordnung gibt dazu leider keine Auskunft.

„Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 ZulBeschrVO ist hierfür die Gesamtnote in der Ersten Staatsprüfung oder einer Prüfung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. B oder c LAPO II maßgebend. Weitere Kriterien sind weniger aussagekräftig und können in der begrenzten Zeit des Zulassungsverfahrens von der Behörde nicht hinreichend gewürdigt werde.“

 

K) Wo liegen die Gründe, dass ein bildungsbewusstes Land wie Sachsen, junge Lehramtsanwärter, die ihr Studium an einer sächsischen Hochschule absolviert haben, nicht durch entsprechende Maßnahmen hält? Kann sich ein Land dieses Vorgehen auf Dauer leisten?

Diese Antwort steht leider aus.

 

„Mit der Beantwortung der von der Petentin gestellten Fragen wird die Petition für erledigt erklärt.”

 

In einem bildungsbewussten europäischen Land, in dem nicht zuletzt alle großen Parteien und die Kultusministerien Ganztagsschulkonzepte, die Zusammenführung von schulischen und außerschulischen Bildungsangeboten und kulturelle Jugendbildung im Zuge des allgemeinen – das heißt allumfassenden – Bildungsauftrags der Schulen und des Landes stets betonen, darf es nicht sein, dass junge und engagierte Pädagogen, die die entsprechende universitäre Ausbildung mit sich bringen, zurückgewissen werden, wenn sie ihre Lehramtausbildung beenden wollen, endlich ins Schulwesen einsteigen und Staatsbürger von Morgen aus ihrem Bildungsweg begleiten, beraten, Wissen vermitteln und gemeinsam Lernprozesse gestalten möchten.

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