Scanning Europe – Junge Freiwillige vermessen Europa

Scanning Europe – Junge Freiwillige vermessen Europa

Was heißt Europa für mich? Welche Bedeutung hat Europa für mein Land? Welche Auswirkungen hat ein gemeinsames Europa auf politische, soziale und kulturelle Entwicklungen in meinem Land?
Mit diesen und ähnlichen Fragestellungen beschäftigt sich seit Mitte 2010 „Scanning Europe“ – ein Projekt der Europäischen Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW). 15 Jugendliche aus Italien, Rumänien, Ungarn, Russland und der Ukraine absolvieren ihren einjährigen Freiwilligendienst bei verschiedenen international und europapolitisch aktiven Initiativen und Einrichtungen in Weimar und Ilmenau. Ein gemeinsames Projekt eint sie: Sie scannen Europa unter der Kernfrage: „Was stärkt/gefährdet die Demokratie und demokratische Prozesse regional und europaweit?“
Schritt für Schritt untersuchen die Freiwilligen den Arbeitsbereich ihrer Einsatzstellen in Deutschland und vergleichen diesen mit dem einer ähnlichen Einrichtung aus ihrem Herkunftsland. Alle sechs Wochen treffen sie sich und tauschen ihre Erfahrungen aus – mit dem Ziel, dass sie gewonnene Erkenntnisse in ihre Heimatländer tragen. Dabei beschäftigen sie sich mit den Themen Bildung und Partizipation, Mobilität und Migration, Chancengleichheit und gesellschaftlicher Wandel, Umwelt und Lebensgrundlagen sowie Demokratie und Politik. Ihre Erfahrungen und Ergebnisse präsentieren die Freiwilligen der Öffentlichkeit auf der Internetplattform: www.scanning-europe.eu und nach Ende des Projektes Mitte 2012 in einer Ausstellung.
Während des Aufenthalts in Thüringen finden auch Bildungsausflüge zu geschichtlichen, europapolitischen und kulturellen „Lernorten“ wie dem Europaparlament in Brüssel oder auch eine Sprechstunde mit dem Europaabgeordneten Dr. Dieter Koch in Straßburg statt, um anschließend in der Gruppe intensive und praktische Auseinandersetzungen und Diskussionen führen zu können. Die Freiwillige Irene Schenk bringt es auf den Punkt: „Denn wo außerhalb, zu Hause oder unter Freunden, findet man so viele Gleichgesinnte, die alle dasselbe ausgeführt und dennoch etwas ganz anderes erlebt haben?“
Die Ungarin Livia Pelyhes hat im Juni 2011 ihren Freiwilligendienst in der EJBW beendet. Die studierte Germanistin aus Budapest kam nach Deutschland, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, eine politische Bildungseinrichtung für Jungendliche kennen zu lernen und aus „Interesse an den Problemen unserer Generation“, wie sie in ihrem Motivationsbrief schrieb. Besonders interessieren sie Methoden der Toleranz- und Demokratieentwicklung, da sie Übergriffe gegenüber Roma, die sich seit 2008 in Ungarn häufen, Jugendbildungsmaßnahmen und Möglichkeiten für Freiwilligendienste in Ungarn vermisst. Vom Projekt „Scanning Europe“ hat sie von Freunden erfahren, die bereits in Portugal und Italien als EU-Freiwillige tätig waren. Livia schätzt an dem Weimarer Modell, die regelmäßigen Treffen in der Gruppe mit anderen Freiwilligen, denn hier kann sie sich über die Arbeit in der Einsatzstelle austauschen und neue Freunde kennen lernen, die sie künftig in verschiedene Länder führen werden. In einem interkulturellen Seminar beispielsweise konnte Livia ihre Vorurteile gegenüber Italienern abbauen und lernte Deutschland als sehr unterschiedlich in Bezug auf kulturelle Besonderheiten kennen. Ihre Zukunft in Deutschland hat Livia auf fünf Jahre begrenzt, davon will sie zwei Jahre in Berlin verbringen, um Kulturmanagement an der Humboldt-Universität zu studieren.
Livias Zeit in Thüringen war Lehr- und Wanderjahr, persönliches und berufliches Erfahrungsjahr, Kultur- und Bildungsjahr in einem – ganz so heterogen wie es Europa auch ist. Auf die Frage „Was ist Europa?“ bzw. „Was wird Europa?“ finden sich ebenso viele Antworten wie auf die Frage „Was wird Thüringen?“ und das ist gut so. Livia hat ein kleines Puzzelteil hinzugefügt.

Maxi Kretzschmar im Kulturjouranl Mittelthüringen 4/2011

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