Wallcome, Urban Art!

Urban Art ist per se eine ortsgebundene künstlerische Intervention im öffentlichen Raum. Sie ist  eingebunden in eine spezifische urbane soziokulturelle Realität. Infrastruktur, bauliche Gegebenheiten, Geschichte des Ortes und die urbane Lebensweise sowie das aktuelle Zeitgeschehen und nicht zuletzt die Künstlerpersönlichkeit beeinflussen das Werk an der Wand und im Raum. Urban Art wird entweder beauftragt, vielmehr jedoch eigeninitiativ realisiert. Sie umfasst Graffiti, Mural Art und Street Art sowie Plastik, Performance, Installations- und Medienkunst.

Urban Art blendet die Grenzen zwischen Kunst im Öffentlichen Raum, Kunst am Bau und Freie Kunst in Museen, Galerien und Sammlungen aus. Die Künstler tragen die Freie Kunst in den Außenraum und knüpfen damit an die Höhlenmalerei der europäischen Ureinwohner an. Sie kleben Plakate wie die alten Römer Gesetzestexte, befreien Schablonen von ihren dekorativen, später politischen Inhalten und installieren Objekte wie der Kleingärtner Gartenzwerge. In ihrer kulturellen Diversität ist Urban Art Mittler zwischen transnationalen Kulturen.

In der Großstadt ergänzen die Künstler aktiv die Arbeit von Stadtplanern und Architekten, Kommunalpolitikern und Quartiersmanagern, Sozialarbeitern und Kulturbeauftragten, indem sie Stadtteile zur öffentlichen Galerie erklären, die aktive Teilhabe erlaubt.

Urban Art spricht mit ihrer einfachen Bildsprache den lokalen Kommunikationscode und greift systemische Strukturen der lokalen Wirklichkeit auf. Urban Art ist Freie Kunst.

Urban Artists sind international Reisende. Ihre Galerien entstehen weltweit dank der physischen Verkehrsvernetzung und medial erweitert im Internet. Das Internet erlaubt einen Überblick über das künstlerische Gesamtwerk auf einen Klick. Die Online-Galerien entstehen partizipativ in den sozialen Medien, Blogs, Maps, Apps und auf den Websiten der Künstler.

 Urban Art im ländlichen Raum

Die Entkopplung der Urban Art aus ihrem urbanem Setting befreit die Kunst von (Be-) Deutungsmustern, die in der komplexen Großstadtrealität wirksam werden. Weitest gehend unbeeinflusst von urbanen Kommunikationsmedien liegt der Fokus auf ortsspezifischen Bildinhalten und individuellen gestalterischen Mittel.

Mit der Entscheidung für den ruralen Raum emanzipieren sich Urban Artists gewissermaßen von ihrem Wirt, der Urbanität. Die Künstler entziehen sich im ruralen Setting dem vielfältigen Mix zwischen top down und bottom up verschiedener städtischer Interessengruppen und deren Omnipräsenz audiovisueller Informationensmedien. Im ländlichen Raum üben die Künstler den Schulterschluss mit der Natur und der Regionalkultur, statt sich mit mindestens kritischen wenn nicht gar politischen Positionen im Großstadtdschungel ihre Aufmerksamkeit zu erobern. Fernab steigen sie aus dem Höher, Schneller, Weiter-Spiel der lokalen Urban Galleries aus und werden Mittler zwischen urbanen und ruralen Codes.

Während Kunst im großstädtischen öffentlichen Raum eher einer Publikumsmesse für alle gleicht, hat der rurale Raum fast Offspace-Charakter: Die Künstler erklären den Ort zum Kunstort und nehmen die direkte soziokulturelle Umwelt mit. Ihre Partner sind die kommunale Verwaltung, Heimathistoriker, Vereine und Akteure der Zivilgesellschaft.

Die Kleinstadt bekommt keinen musealen Elfenbeinturm, keine informationsverdichtete Urban Gallery, die irgendwo zwischen Freier Kunst, Graffiti, Street Art und Werbung changiert. Sie bekommt Urban Art in ihrer Reinform, eine identitätsstiftende städtische Galerie.

Die Künstler begeben sich auf bildnerische Ortskunde, richten Spots auf vergessene Orte, Knotenpunkte der Stadtgeschichte. Sie öffnen mit ihrer künstlerischen Intervention einen Kommunikationsraum, der mit den gesprochenen Worten und der geformten Farbe gefüllt auf geographische Besonderheiten, Lokal- und Regionalgeschichte, sowie auf die soziokulturellen wie sozioökonomischen Situation und die persönliche Beziehung zwischen reisendem Künstler und Einheimischen verweist.

Durch die kollaborative Arbeitsweise entsteht eine zeitgenössische interkulturelle Art der Volkskunst mit lokal wie global lesbarer Bildsprache und Bildinhalten. So entsteht Kunst, die die lokale Realität in global bekannte Codes verwandelt, und authentische Monumente durch das Kunstwerk auszeichnet: Das eigene Haus, das des Nachbarn, die Schule und in Gänze die gesamte Stadt und die Region.

Denn die Künstler küssen mit ihren Werken meist in Vergessenheit geratene Kulturgüter und ganze Landstriche wach, die durch industriellen und demographischen Wandel umfangreichen Veränderungen ausgesetzt sind. Urban Art lenkt die Aufmerksamkeit vor Ort auf den Dialog zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Durch die mediale Erweiterung wird die Stadt zu einem zeitgenössischem interdisziplinären Gesamtkunstwerk.

Das Geheimnis? Back to the roots, think global, act local und Gastfreundschaft! Wallcome, Urban Art!

Autorin: Maxi Kretzschmar, Kunst- und Kulturmanagerin

Projekte:
www.ibug-art.de
www.wallcome.de

Lieraturtipp:
Kristin Klitzke/Christian Schmidt: Street Art – Legenden zur Straße. Berlin, 2009.

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