SAUGKULTUR » 2013 http://saugkultur.org Eine Initiative gegen Kulturdepression und für freie Entfaltung kreativen Potentials Tue, 09 May 2017 11:47:08 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.0 Urbane Kunst, Steckdosengesichter und neue alte Räume… http://saugkultur.org/urbane-kunst-steckdosengesichter-und-neue-alte-raume/ http://saugkultur.org/urbane-kunst-steckdosengesichter-und-neue-alte-raume/#comments Tue, 04 Jun 2013 09:29:50 +0000 http://saugkultur.org/?p=1528 Weiterlesen ]]> Es gibt Kunst im öffentlichen Raum, Kunst am Bau und Freie Kunst.

Die Vorreiter heutiger Kulturpolitiker haben im Zuge der Modernisierung seit der Aufklärung diese Unterscheidung eingeführt. Die Freie Kunst entwickelt sich seither prächtig in Museen, Galerien und Kunsträumen in Stadt und Land. Eine Avantgarde löst die andere ab, der Pluralismus in den Kunstströmungen entsteht. Inhaltliche und institutionelle Verzweigungen und Vernetzungen werden in Deutschland wie in keinem anderen europäischen Land gefördert. Schließlich hat sich Deutschland seit Goethe und Schiller zu einer Nation entwickelt, die sich über ihre Kunst- und Kulturgüter definiert. Kunst hat gesellschaftlichen Wert, vor allem Kunst im öffentlichen Raum. Bauherren öffentlicher Gebäude müssen einen bestimmten Prozentsatz der Baukosten in Kunst am Bau investieren, Kunst im öffentlichen Raum hingegen wird durch kommunale Ausschreibungen befördert. Die künstlerische Freiheit allerdings ist weit entfernt. Künstlerische Eigeninitiative ist nicht vorgesehen und Privatbesitzer investieren Unsummen in die Befreiung ihres Besitzes von “Graffitischmierereien”. So weit der Ist-Zustand. (Was ist, wenn es keine Grenzen gäbe zwischen den Kunstorten, wie es bis zur Aufklärung der Fall war?)

Urbane Kunst blendet diese Grenzen aus. Die Künstler tragen die Freie Kunst in den öffentlichen Raum, sie malen und ritzen Figuren, wie es die Ureinwohner Europas in Höhlen taten. Sie kleben Plakate wie die alten Römer, befreien Schablonen von ihren dekorativen, später politischen Inhalten und installieren Objekte wie der Kleingärtner Gartenzwerge. Sie ergänzen aktiv die Arbeit von Stadtplanern und Architekten, Kommunalpolitikern und Quartiersmanagern, Sozialarbeitern und Kulturbeauftragten, indem sie die Stadt zur Galerie erklären.

Urban Art gibt Stadtteilen ein Gesicht, das freundlich lächelnd zum Gespräch einlädt. Im Gegensatz zu Graffiti, das als popkulturelles Phänomen seit den 1980er Jahren die westliche Welt mit großen und kleinen Schriftzügen (Styles und Tags) und Figuren (Characters) überzieht, deren Bedeutung sich nur Eingeschworenen erschließt, als Sachbeschädigung bewertet gesellschaftlich geächtet wird, spricht urbane Kunst (Urban Art) mit ihrer meist einfachen Bildsprache den lokalen Kommunikationscode und greift soziale und architektonische Strukturen der lokalen Wirklichkeit auf. Sie bedient sich der Mittel der Werbeindustrie, bevor sie im Prozess einer offiziellen Kunst-Ausschreibung an Kraft verliert. Urban Art ist Freie Kunst.

In Westsachsen gibt es – wie in vielen ostdeutschen Städten, in denen ehemals eine produzierende Industrie existiert hat – sehr viele brachliegende Industriebetriebe und Fabriken, an denen niemand mehr Interesse hat und welche so einem langsamen Verfall ausgesetzt sind. Diese Brachen sind der ideale Ausgangspunkt für eine besondere Form der Urban Art: hier treffen bauliche Zerfallsprozesse gepaart mit ungeplanten Renaturalisierungsprozessen und regional-geschichtliche Bedeutung auf kreative Neuschöpfungen. Marode Produktionsräume werden neu gedeutet, gestaltet und zumindest temporär wiederbelebt. Relikte vergangener Alltäglichkeiten werden integriert, sich aber nicht von diesen abhängig gemacht. Die freie Kunst trifft sich – losgelöst von Galerie- und Kunstmarktmechanismen – mit der Bevölkerung, in dem sie deren ehemalige Arbeits- und auch Lebensmittelpunkte in etwas Lebendiges verwandelt.

Dennoch kann man kaum in Worte kleiden, was da alljährlich passiert: Alte Balken werden zu Pferden, Fenster zu Bilderrahmen, Steckdosen zu Gesichtern, kurz: Die Überbleibsel der Industriegesellschaft werden zu urbanen Kunstobjekten. Die IBUg stellt in einer Region, die den demografischen und gesellschaftlichen Wandel seit der Wende radikal erleben musste (vom wirtschaftsstarken “Manchester des Ostens” zu einer Abwanderungsregion), einen wichtigen Identifikationswert dar. Schließlich sind es die Brachen, in denen ein Gros der Bevölkerung einen erheblichen Teil ihres Arbeitslebens verbracht hat und die von Künstlern nun das letzte, schönste Kleid auf den Leib geschneidert bekommen. Es ist doch ein erhebender Moment, wenn Enkel und Großeltern den Eingang passieren und gemeinsam durch eine Kunst-Brache gehen, die so vielschichtige Geschichten erzählt, dass Alter keine Rolle mehr spielt. War es früher die Industrie, die den Ton angab, ist es heute einmal jährlich die Kunst, die eine ganze Stadt in helle Aufregung versetzt.

Zone56, Künstler und Teammitglied der IBUg, glaubt: „…dass es eine Stimmung in den Gemäuern gibt. Da vor vielen Jahren in solchen Gebäuden Hochkonjunktur herrschte, bekommt man das als Künstler mit oder kann es zumindest erahnen, wenn man eine Weile dort am Werk ist.

Die Architektur, der Verfall, das Ambiente gibt den Anreiz, etwas zu machen, das diese Einflüsse widerspiegelt. Wenn man das erste Mal die Hallen betritt, denkt man, eigentlich könnte alles so bleiben, wie es ist. Es ist schon ‚Kunst’. Ich hoffe, die eingeladenen Künstler – egal aus welchem Land – werden das spüren und in ihre Kunst mit einfließen lassen.“ Und sie tun es, Jahr für Jahr!

Projekte wie die IBUg sind ohne Gelder aus der Wirtschaft und breite Unterstützung eines gut funktionierenden Netzwerks nicht möglich. Vertrauen ist dabei das höchste Gut. Immerhin laden die Organisatoren internationale Künstler in eine Brache ein, die nicht selten zum Abriss freigegeben ist – Fluch und Segen zugleich. 
Segen, weil in diesem Niemandsland aus Unkraut und funktionslosen Mauern freie Kunstproduktionen, die mit Raum und Geschichte des Geländes spielen, möglich sind. Alle Kunstwerke können bleiben, kein Nagel muss entfernt werden, keine Wand muss stehen bleiben. Die Kunst nimmt sich den Raum, den sie braucht und die Künstler können ihrem kreativen Geist folgen. Die Themen sind frei aber nicht egal. Es liegt ein Spirit in der Luft, der die Künstler zusammenhält und bei organisiertem Chaos das Gesamtkunstwerk IBUg ermöglicht.

Fluch, weil jahrelange Arbeit notwendig ist, um das Vertrauen herzustellen. Immerhin kaufte die Stadt Meerane jahrelang die Brachlandschaften, entwickelte mit den Organisatoren gemeinsam ein temporäres Nutzungskonzept und unterstützte, wo sie kann. Und dennoch ist die Realisierung des Projektes alljährlich eine Hängepartie. Abgelegen vom Zentrum öffentlichen Interesses müssen Förderer und Sponsoren überzeugt werden. Ohne ein über Jahre gewachsenes Netzwerk aus Privatpersonen, regionalen und überregionalen Unternehmen und Kulturträgern, den Stadtverwaltungen und einem eingeschworenen Team wäre die IBUg nicht nur aus finanzieller Sicht undenkbar.

Umso schöner ist daher die Entwicklung. Einst ein reiner Szenetreff, wurde das Projekt inzwischen in eine nichtöffentliche Kreativphase mit Künstlern aus dem In- und Ausland sowie eine Präsentationsphase unterteilt. Dieses Konzept hat sich bewährt und wird ständig weiterentwickelt. 2012 kamen fast 5.000 Besucher in den ehemaligen Glauchauer Schlachthof.

Spontane Konzerte mit den Besuchern, Performances, Führungen und Malaktionen fanden statt. Ein Rahmenprogramm mit Kino, IBUg-inspirierter Mode, Vorträgen und einer Diskussionsrunde zu Kunst im öffentlichen Raum und Umnutzungskonzepten, einer IBUg-Kneipe, in der Einheimische und Zugereiste an einem Tisch sitzen, und einem Urban Art Markt begleiten die Ausstellung. Ausstellung? Eine Ausstellung wird nicht wirklich geboten, vielmehr ein Gesamtkunstwerk, das nie fertig ist und – auch während des Festivals – zum Gestalten einlädt. IBUg your life and get together!

Autorin: Maxi Kretzschmar, Kunst- und Kulturmanagerin für Broschüre IBUg 2013
www.ibug-art.de

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The Spirit of Weimar http://saugkultur.org/the-spirit-of-weimar-2/ http://saugkultur.org/the-spirit-of-weimar-2/#comments Thu, 07 Mar 2013 07:51:14 +0000 http://saugkultur.org/?p=1653 Weiterlesen ]]> Weimar is a little city in Germany famous for its cultural heritage. Despite its population of just about 65 000 people, the cities’ cultural heritage is vast and the history can be traced back to 889. In the 18-19th centuries it was an important cultural centre of Europe and has been home to Goethe, Schiller, Liszt and Bach. Bauhaus School and movement were established in Weimar in 1919.
Now, a new videomapping event takes place here and looks beyond the mere geometry of objects to explore the possibilities of reflecting the spirt of the place.

Genius Loci Weimar is an exciting international festival for multimedia facade projections and site-specific audiovisual performances. Unlike erratic claptrap, Genius Loci Weimar approach focuses on an intensive analysis of history, habitat and the architectonical composition of the place.
This focus is easy to explain: the festival founders Stefan Kraus and Hendrik Wendler are addicted to video and architecture and like the mix of history and possibilities of projection mapping to tell new stories in such cultural context.

Stefan Kraus is a media artist and together with Baha Hamdemir they form a VJ art group “MXZEHN – 25 Masterpieces per second” since more then 10 years. With Genius Loci Weimar he wanted to create a festival, where he really would love to play and create art of projection without commercial pressure. Hendrik Wendler is the creator of “MXWendler FXServer and Stage Designer“. Since 2004 his software makes amazing and impressing projection setups possible in theaters, clubs and – of course – on facades. They met at Bauhaus University in Weimar, where they studied architecture in the 90s and have created Genius Loci Weimar as a festival, where international projection artists could tell the story of the place on site and meet other VJ and projection artists.

Stefan and Hendrik organize Genius Loci Weimar 2013 together with 4 team members experienced in theatre, architecture, media and urban design, culture management and urban culture. The events’ symposium and the Genius Loci Club are curated in cooperation with local partners like Bauhaus University and the Gaswerk – a trendy subcultural cultural spot in the classical city.

The festival was launched in 2012 and became an immediate success. The artists come in touch with the festival via the competition. Together with the local cultural network Genius Loci Weimar offered a nice cultural mix between Goethe´s classic and contemporary art. The first projection location was Fürstenhaus, which houses the main building of the Franz Liszt Academy of Music.
Nerdworking´s international team consisted of nearly 20 artists and created an incredible historical fairytale “Under an Alias” that shows the multicultural setting of Weimar’s spirit in the past and in the presence. It won the last year’s competition.

Besides the work of the award winners, other works of international projection artists like VJ Fader (USA), Dirk Rauscher (G), RDV Collectif (FR) and MXZEHN (G) were presented together with talented musicians and local artists at the building and later in the Genius Loci Club.
2013 will mark the expansion of Genius Loci Weimar in time and space: three historic facades will be animated, and invite you to an evening stroll along the projection locations. The festival is being expanded to include a program with competition, symposium, workshops and exhibition in cooperation with the Bauhaus University Weimar, “Weimarer Sommer” and MXWendler.  

The competition 2013
Genius Loci Weimar seeks for innovative ideas for the facade-projection festival held from 5th-11th August 2013.
Until the 15th of April, participants apply with a 30 sec videoclip explaining the main design concept for one of the facades of the historical buildings: Wittumspalais, City Castle Courtyard, Main-Building Bauhaus University. The three winning artists will be awarded a totaling prize money of 45000 Euros to realise a 10-15 min long high-resolution audio-visual production, which can be presented in the form of video mapping on the respective facades on the evenings of 9th-11th August.

The most important requirements for the Genius Loci Weimar competition are:
• An innovative design in the form of an audio-visual video mapping, with particular observance paid to the Genius Loci.
• An individual, original and sophisticated handling of the spirit of the location with respect to the history and architecture, ect.
• The deliberate omission of erratic gimmickry and showmanship, intrusive clichés, and careless historical retelling.

Autorin: Maxi Kretzschmar @ audiovisualacademy.com
www.genius-loci-weimar.org

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Genius Loci Weimar http://saugkultur.org/the-spirit-of-weimar/ http://saugkultur.org/the-spirit-of-weimar/#comments Fri, 01 Feb 2013 22:06:01 +0000 http://saugkultur.org/?p=1468 Weiterlesen ]]> 2012 fand das Projektionsfestival Genius Loci Weimar erstmals statt. Ich habe von Anfang an bei der Ausgestaltung des Projektes beraten und die PR bis Mitte 2013 betreut. 

Genius Loci Weimar 2012 : Behind the Scenes from Genius Loci Weimar on Vimeo.
Genius Loci Weimar ist ein jährlich stattfindendes Festival für ortspezifisch entwickelte audiovisuelle Kunst, insbesondere (interaktive) Fassaden-, Raum- und Objektprojektionen. Das Festival verbindet den historischen Geists Weimars und die zeitgenössischen Technik des Videomappings, eine Projektionstechnik, die die Projektionsfläche in die Bildgestaltung einbezieht und so unbewegten Objekten eine zusätzliche Dimension verleiht und optische Illusionen schafft.
Make walls talk!

Die Terminplanung 2013:
Wettbewerb
31. Januar – 15. April 2013

Ausstellung und Preisverleihung
Mai – Juli 2013

Festival inklusive Symposium und Genius Loci Club
Montag, 5. – Sonntag, 11. August 2013

Weitere Informationen zum Festival unter www.genius-loci-weimar.org, Videos bei Vimeo http://vimeo.com/channels/glw

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IBUg – Industriebrachenumgestaltung http://saugkultur.org/ibug-industriebrachenumgestaltung/ http://saugkultur.org/ibug-industriebrachenumgestaltung/#comments Fri, 19 Aug 2011 09:05:44 +0000 http://saugkultur.org/?p=1664 Weiterlesen ]]> Urbane Kultur im ländlichen Raum

Wenn verlassene Fabriken neue Farben auf die alten Mauern bekommen, Ingenieurbüros zu Ateliers werden und Dampfkessel zu Installationen, dann ist IBUg-Zeit in Westsachsen.

IBUg steht dabei für Industriebrachenumgestaltung und ist ein Projekt einer losen Initiative um den Graffitikünstler Tasso. Begonnen hat die IBUg vor sechs Jahren als inoffizielle Veranstaltung. „In Meerane gibt es – wie in vielen ostdeutschen Städten, in denen ehemals eine produzierende Industrie existiert hat – sehr viele brachliegende Industriebetriebe und Fabriken, an denen niemand mehr Interesse hat und welche so einem langsamen Verfall ausgesetzt sind. Auf der ständigen Suche nach Flächen zur Nutzung für legales Graffiti stieß ich bei unseren Verantwortlichen – insbesondere Bürgermeister Prof. Ungerer – auf offene Ohren“, erinnert sich Initiator Tasso. Der Grundstein war gelegt, und seither pilgern jedes Jahr Künstler der Urbanen Kunst und Kultur nach Meerane, in eine Stadt, die geprägt war von der Textilindustrie und deren Fabriken heute verlassen stehen. Kunstförderung, kulturelles Bildungsangebot, internationales Szene-Event – all das ist die IBUg, und dennoch kann man nicht in Worte kleiden, was da alljährlich in Westsachsen passiert: Alte Balken werden zu Pferden, Fenster zu Bilderrahmen, Steckdosen zu Gesichtern, kurz: ungewollte Relikte der Industriegesellschaft zu Kunst für die Kulturgesellschaft. Zone56 , Künstler und Teammitglied der IBUg, glaubt: „…dass es eine Stimmung in den Gemäuern gibt. Da vor vielen Jahren in solchen Gebäuden Hochkonjunktur herrschte, bekommt man das als Künstler mit oder kann es zumindest erahnen, wenn man eine Weile dort am Werk ist. Die Architektur, der Verfall, das Ambiente gibt den Anreiz, etwas zu machen, das diese Einflüsse widerspiegelt. Wenn man das erste Mal die Hallen betritt, denkt man, eigentlich könnte alles so bleiben, wie es ist. Es ist schon ‚Kunst’. Ich hoffe, die eingeladenen Künstler – egal aus welchem Land – werden das spüren und in ihre Kunst mit einfließen lassen.“ Und sie tun es, Jahr für Jahr!

Projekte wie die IBUg sind ohne Gelder aus der Wirtschaft und breite Unterstützung eines gut funktionierenden Netzwerks nicht möglich. Vertrauen ist dabei das höchste Gut. Immerhin laden die Organisatoren internationale Künstler in eine Brache ein, die nicht selten zum Abriss freigegeben ist – Fluch und Segen zugleich. Segen, weil in diesem Niemandsland aus Unkraut und funktionslosen Mauern freie Kunstproduktion möglich ist. Alle Kunstwerke können bleiben, kein Nagel muss entfernt werden, keine Wand muss stehen bleiben. Die Künstler können ihrem kreativen Geist in der Gestaltung von Installationen folgen, die Themen sind frei. Fluch, weil jahrelange Arbeit notwendig ist, um das Vertrauen herzustellen. Immerhin kaufte die Stadt Meerane jahrelang die Brachlandschaften, entwickelt mit den Organisatoren gemeinsam ein temporäres Nutzungskonzept und unterstützt, wo sie kann. Und dennoch ist die Realisierung des Projektes alljährlich eine Hängepartie. Abgelegen vom Zentrum öffentlichen Interesses müssen Förderer und Sponsoren überzeugt werden. Ohne ein über Jahre gewachsenes Netzwerk aus Privatpersonen, regionalen und überregionalen Unternehmen und Kulturträgern, der Stadtverwaltung und dem eingeschworenen Team wäre die IBUg nicht nur aus finanzieller Sicht undenkbar.

Umso schöner ist daher die Entwicklung. Einst ein reiner Szenetreff, wurde das Projekt inzwischen in eine nichtöffentliche Kreativphase mit Künstlern aus dem In- und Ausland sowie eine Präsentationsphase unterteilt. Dieses Konzept hat sich bewährt und wird ständig weiterentwickelt. 2010 kamen mehr als 2.000 Besucher in ein umgestaltetes Palla-Werk . Spontane Konzerte mit den Besuchern, Performances, Führungen und Malaktionen mit den Künstlern fanden statt. Seit 2011 wächst die IBUg zu einem Festival für urbane Kultur. Ein Rahmenprogramm mit Kino, durch die Brache inspirierte Mode, Vorträgen zu Kunst im öffentlichen Raum und Umnutzungskonzepten, einer IBUg-Kneipe, wo Einheimische und Zugereiste an einem Tisch sitzen, und einem Urban Art Markt begleiten die Ausstellung. Ausstellung? Eine Ausstellung wird nicht wirklich geboten, vielmehr ein Gesamtkunstwerk, das nicht fertig ist und – auch während des Festivals – zum Gestalten einlädt.

Auch wenn die IBUg ein Jahresprojekt ist, stellt sie in einer Region, die den demografischen und gesellschaftlichen Wandel seit der Wende radikal erleben musste (vom wirtschaftsstarken Manchester des Ostens zu einer Abwanderungsregion), einen wichtigen Identifikationswert dar. Schließlich sind es immer noch die Brachen, in denen ein Gros der Bevölkerung einen erheblichen Teil seines Arbeitslebens verbracht hat und die von Künstlern nun das letzte, schönste Kleid auf den Leib geschneidert bekommen. Es ist doch ein erhebender Moment, wenn Enkel und Großeltern den Eingang passieren und gemeinsam durch eine Kunst-Brache gehen, die so vielschichtige Geschichten erzählt, sodass das Alter keine Rolle mehr spielt. War es früher die Industrie, die den Ton angab, ist es heute einmal jährlich die Kunst, die eine ganze Stadt in helle Aufregung versetzt. IBUg your life!

Maxi Kretzschmar in SOZIOkultur 2-13
www.ibug-art.de

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