Eins – der Monatsladen

Ein Projekt als kommerzielle Forschungsstation 

Was macht eine Gruppe junger Weimarer, die sich künstlerisch verwirklichen möchte, aber die öffentlichen Möglichkeiten rar, ja sogar Steine aus dem Weg zu räumen sind, bevor sie kreativ tätig werden können? Richtig! Zuerst gründen sie einen gemeinnützigen Verein und zeigen so, dass sie etwas zu sagen haben, dass sie die Welt und die Stadt, in der sie leben, anders sehen, kurz: dass sie es ernst meinen und ernst zu nehmen sind. So geschehen bei der Gründung von ColorViolence e. V. im Schillerjahr 2005. 

Aus einer Gruppe graffitibegeisterter Jugendlicher ist ein Verein hervorgegangen, der heute in Weimar eine anerkannte regionale Plattform ist und als Pendant der Szene zur Klassiktradition der Stadt zu verstehen ist. Die Vereinstätigkeiten sind vielfältig und reichen von Aufklärungsarbeit zu Graffiti in Workshops und Stadtrundgängen über Veranstaltungs- und Ausstellungsmanagement bis hin zur Rekultivierung unbeachteter Wandflächen und leer stehender Geschäften. Die Weimarer aller Altersklassen erfreuen sich an der bunten Abwechslung und steigen zum Teil gleich mit ein. Dazu haben sie die Möglichkeit im „Eins – der Monatsladen“, der je einen Monat lang geöffnet ist und danach frei gegeben wird für andere Initiativen. Die Produkte entstehen in Handarbeit, sind meist Kleinstauflagen und werden im Monatsladen auf öffentliches Interesse und kreatives Potential geprüft. Lucian Patermann aus dem Vorstand beschreibt das Projekt als „kommerzielle Forschungsstation“, wo neben einzigartigen Taschen, individuellen Feuerzeugen, urbaner Mode auch Designobjekte feilgeboten werden, die kurz vorher im Verkaufsraum entstanden sind. Transparenz und Prozesshaftigkeit des Arbeitens bieten Platz für Ideen sowie Kooperationen und ziehen ein umfangreiches Begleitprogramm mit audiovisuellen Konzerten, Vortragsreihen beispielsweise zum Thema Kreativwirtschaft und interaktive Performances nach sich. Diese Synergieeffekte sind dem Verein sehr wichtig. Bestehende Netzwerke und Initiativen werden einbezogen und Dinge ausprobiert, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ohne Auswahlkriterien, wohl bemerkt! 

ColorViolence e. V. ist Teil und maßgeblicher Gestalter des interdisziplinären Netzwerks in Weimar, das beispielsweise (sozio-)kulturelle Einrichtungen wie die ACC Galerie, den C. Keller e. V., die Gerberstraße, die Galerie Eigenheim und das Deutsche Nationaltheater miteinander verbindet und so viele Chancen kultureller Partizipation bereitstellt. Die benötigte Energie für das gemeinsame Schaffen speist sich aus dem unbändbaren Interesse an Kultur und ihrem Lokaloptimismus. Die stetigen Impulse, die vom Verein und seinen Partnern ausgehen, bringen Bewegung in die eingeschliffenen Bahnen des „Klassikertourismus“ und Patermann erkennt hierin kulturwirtschaftliche Potentiale, die die Stadt neu profilieren können. Nicht wenige der Beteiligten arbeiten bereits als Dienstleister im Bereich Grafik, Musik und Mode. Ihr Beruf macht sie zur creative class, im Verein sind sie es sowieso! 

Maxi Kretzschmar im Informationsdienst Soziokultur 4/07, Nr. 70: Herausforderung creative industries

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