Elisa Liepsch über Dramaturgie

“Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.” Mit diesem Motto ist der Auftakt der aktuellen Spielzeit am DNT überschrieben. Wie lautet Dein Motto am Theater?

„No stress please, it’s just art.“ Aber eigentlich habe ich kein richtiges Motto. Mein Antrieb zum Theatermachen ist in erster Linie ein Interesse an Menschen und ihren Geschichten, die Neugierde und die Lust mich sinnlich verzaubern zu lassen, und die permanente Suche – nach künstlerischer Reibung zum Beispiel. Dabei möchte ich kontinuierlich verunsichert werden und meinen eigenen Standpunkt in Frage stellen. Für mich muss Theater auch immer einen politischen Aspekt haben. Der gesellschaftliche Gegenentwurf, der über die Bühne formuliert wird, muss auch dahinter praktiziert werden. Theater sollte in allen Instanzen ein Wagnis sein, vor allem aber auch Spaß machen.

Seit Sommer 2010 bist Du Dramaturgieassistentin am Weimarer Theater. Wie sieht ein Dramaturgen-Arbeitstag aus? Und mit wem arbeitest Du zusammen?

Am Stadttheater ist man vor allem mit der Produktionsdramaturgie betraut, d.h. begleitet den kompletten Entstehungsprozess einer Inszenierung. Dies bedeutet zunächst die Vorbereitung der Produktion mit dem Regisseur, mit dem ein Konzept und die Strichfassung erarbeitet werden, um eine bestimmte Lesart des Stoffes darzulegen. Zunächst ist es also die intensive Arbeit am Text und später die konkrete Probenarbeit mit den Schauspielern. Dort ist man vor allem beratende Instanz, recherchiert Hintergrundmaterial und hat den Außenblick inne.
Den klassischen Arbeitstag gibt es nicht. Der Tag ist quasi zweigeteilt, da es jeweils vormittags und abends Probenblöcke gibt. Die Zwischenzeit verbringe ich in Sitzungen, arbeite der Presseabteilung zu, recherchiere, erstelle das Programmheft. Hinzu kommt die Publikumsarbeit wie Stückeinführungen und Nachgespräche.
Außerdem müssen bereits die zukünftigen Spielzeiten vorbereitet, Gespräche mit potentiellen Regisseuren, Autoren, Schauspielern etc. geführt und Besetzungen geplant werden. Das geschieht in Zusammenarbeit mit der Intendanz, mit der die programmatischen Schwerpunkte gesetzt werden. Und eigentlich müsste man viel mehr reisen, Theater gucken, Leute treffen, Impulse aufnehmen. Es ist ja eine Art produktiver Müßiggang, der immer wieder für neue Kreativität sorgt.

Welche Produktionen betreust Du in der Spielzeit 2011/2012?

Ich betreue Ödön von Horváths „Zur schönen Aussicht“, eine bitterböse Komödie aus den 1920er Jahren in der Regie von Dominique Schnizer. Es spielt in einem heruntergekommenen Hotel, welches wir in den Maschinensaal des e-werks gebaut haben. Hier haben wir in der letzten Spielzeit auch die Reihe „Messe der Meister von Morgen“ etabliert, für die das Schauspielensemble eigeninitiativ Abende kreiert, die sich jenseits der klassischen Inszenierung bewegen. Wir wollen damit dem Publikum den Raum bieten, neue Formate kennenzulernen, und zeigen, dass ein Abend auch Ecken und Kanten haben darf. Hier betreue ich einige Arbeiten. Im e-werk wird im Juni 2012 auch unser Minifestival der zeitgenössischen Dramatik stattfinden. Wir haben in der vergangenen Spielzeit festgestellt, dass das Publikum sehr neugierig auf das Zeitgenössische ist.

Welche Inszenierung legst Du dem Publikum besonders ans Herz?

Grundsätzlich natürlich alle. Wir haben als Mehrspartenhaus einen sehr breit gefächerten Spielplan. Brechts „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ finde ich sehr anregend. Fragen um die erschöpfte Gesellschaft und inwiefern politisches Theater und Handeln zur Floskel und zum Alibi verkommen ist, werden hier verhandelt. In dieser Spielzeit bin ich insbesondere auf „Das Wirtshaus im Spessart“ gespannt, aber auch „Alcina“. Ich mag Alte Musik und freue mich, dass es nach wirklich langer Zeit eine Händeloper auf der großen Bühne gibt. Abgesehen davon wird das 2. Internationale Tanzfestival stattfinden, ein weiterer Weg dem Publikum künstlerische Vielfalt zu zeigen. Und das ist das Schöne am Theater: Man macht es natürlich für die Menschen und die Stadt, aber eben immer auch für sich selbst. Die Möglichkeit, ganz viel ansehen zu können, empfinde ich als Luxus.

Welches Projekt würdest du gern einmal in Angriff nehmen?

Am Theater interessiert mich vor allem Interdisziplinarität. Dem Publikum möchte ich neben dem klassischen auch einen erweiterten Theaterbegriff nahe bringen, es für Neues begeistern. Ich hätte außerdem große Freude an einem spartenübergreifenden Projekt. Das ist aufgrund unterschiedlicher Arbeitsweisen und Dispositionen nicht so ohne weiteres möglich. Aber man weiß ja nie…

Maxi Kretzschmar im Kulturjournal Mittelthüringen 05/2011

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