Im Kunsthaus Erfurt wurde Mitte März 2009 zur Podiumsdiskussion zum Thema Kulturkonzepte geladen. Ca. 50 Personen kamen. Titel: „Konzept*los – Braucht Kultur ein Konzept?“ Ziel war neben dem Erfurter auch über das Thüringer Landeskulturkonzept nachzudenken. Schlüsselfragen waren: Wie viel Konzept braucht Kultur und wer soll diese Konzepte erstellen? Darf sich Politik in Kultur einmischen? Wie können kulturfreundliche Rahmenbedingungen für die Erarbeitung neuer Kulturkonzepte festgeschrieben werden? Wie können die Diskussionsprozesse aus anderen Städten berücksichtigt werden? Referenten waren Falk Elstermann, Geschäftsführer das Kulturhaus naTo Leipzig und Sprecher der Initiative Leipzig + Kultur, Prof. Kai-Uwe Schierz, Direktor der Kunsthalle Erfurt und Mitglied der AG Kulturkonzept und André Störr, Vorstitzender der Kulturinitiative Thüringen. Moderiert wurde die Expertenrunde von der freien Radio-Journalistin Hilde Weeg, die gewitzt durch den Abend führte.
Im Folgenden stelle ich Thesen, Zusammenhänge und Konsequenzen vor, die ich herausgehört habe.
Eine ökonomische Diskussion um Machbarkeit und Kompromisse im Kulturbereich hat ausgedient. Kultur hat unverkennbar einen gesellschaftlichen Wert, der im Grundgesetz festgehalten werden sollte. Daher muss sich die Verwaltung insbesondere die Kulturverwaltung als Dienstleister für (Kultur-)Politik und Multiplikator für die Meinungen der Akteure verstehen. Das Landeskulturkonzept muss dabei Rahmenvorgaben machen, auf den demografischen Wandel eingehen und Finanzen prüfen. Daraus ergibt sich der Handlungsrahmen für das Land und die Städte.
Eine offene und öffentliche Diskussion erhöht bei der Entwicklung eines Kulturkonzeptes den gesellschaftlichen Wert und die Relevanz, die dem Vorhaben beigemessen wird. Die Kulturpolitik und ihre Verwaltung dürfen nicht nur im Kontext der Haushaltspolitik denken, sondern die Haushaltspolitik sollte sich den Bedürfnissen der Kulturpolitik anpassen, da Kultur ein existentielles Grundbedürfnis des Menschen ist und sich nicht in Schemata pressen lässt.
Durch kulturelle Angebot werden Identifikationsangebote gemacht, die der Identitätsbildung des Einzelnen, von Gruppen, Städten und Ländern dienen.
Wenn Kultur das Nachdenken darüber ist, wie wir leben wollen, dann ist sie – im Gegensatz zum gesellschaftlichen Raum – ein Diskussionsraum um Alternativen zum aktuellen Lebensentwurf. Mit gesellschaftlichen Räumen sind beispielsweise Hobbies wie Sport und Freizeitbeschäftigungen gemeint, was klar von kulturellem Probehandeln zu scheiden ist.
Kultur ist eine Identifikationshilfe im Sinne des grundgesetzlichen Auftrags der BRD. Mit diesem Bewusstsein ist der Ausbruch aus der Bittstellerrolle möglich. Denn Kultur korreliert mit Erfindertum, Innovation und alternativem Denken. Kulturelles Probehandeln ermöglicht also das Agieren in Utopien und birgt auf alternativen Erfahrungswegen Erkenntnisse, die auf Persönlichkeitsstrukturen und Gesellschaftsstrukturen wirken. Die Kultur muss daher auf die Straße gebracht und vor allem niedrig schwellig angeboten werden. Beide Aspekte verweisen explizit auf die Funktionsweisen soziokultureller Arbeit. Diesem Gedanken folgend ist es unerlässlich und überaus fruchtbringend bei der Entwicklung eines Kulturkonzeptes Partizipationsangebote an die Beteiligten und die Bevölkerung zu machen, denn Manifestationen schaffen entweder Revolte oder Negation. Prinzipiell sollte die Freie Szene nicht unterschätzt werden. Freie Kulturarbeiter sind die Spezialisten für die Bedürfnisse von Menschen. Die niedrigschwelligen Angebote, die hohe Partizipationsrate und der interdisziplinäre Ansatz macht sie zu Experten. Vielmehr sollten Kulturarbeiter, Kulturpolitiker und Verwaltungsbeamte gezielt ihre spezifischen Stärken erkennen, einbauen und helfen auszubauen.
Der Weg ist das Ziel.
Maxi Kretzschmar