SAUGKULTUR » 2014 http://saugkultur.org Eine Initiative gegen Kulturdepression und für freie Entfaltung kreativen Potentials Tue, 09 May 2017 11:47:08 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.0 Wallcome, Urban Art! http://saugkultur.org/wallcome-urban-art/ http://saugkultur.org/wallcome-urban-art/#comments Sat, 27 Dec 2014 16:16:30 +0000 http://saugkultur.org/?p=1692 Weiterlesen ]]> Urban Art ist per se eine ortsgebundene künstlerische Intervention im öffentlichen Raum. Sie ist  eingebunden in eine spezifische urbane soziokulturelle Realität. Infrastruktur, bauliche Gegebenheiten, Geschichte des Ortes und die urbane Lebensweise sowie das aktuelle Zeitgeschehen und nicht zuletzt die Künstlerpersönlichkeit beeinflussen das Werk an der Wand und im Raum. Urban Art wird entweder beauftragt, vielmehr jedoch eigeninitiativ realisiert. Sie umfasst Graffiti, Mural Art und Street Art sowie Plastik, Performance, Installations- und Medienkunst.

Urban Art blendet die Grenzen zwischen Kunst im Öffentlichen Raum, Kunst am Bau und Freie Kunst in Museen, Galerien und Sammlungen aus. Die Künstler tragen die Freie Kunst in den Außenraum und knüpfen damit an die Höhlenmalerei der europäischen Ureinwohner an. Sie kleben Plakate wie die alten Römer Gesetzestexte, befreien Schablonen von ihren dekorativen, später politischen Inhalten und installieren Objekte wie der Kleingärtner Gartenzwerge. In ihrer kulturellen Diversität ist Urban Art Mittler zwischen transnationalen Kulturen.

In der Großstadt ergänzen die Künstler aktiv die Arbeit von Stadtplanern und Architekten, Kommunalpolitikern und Quartiersmanagern, Sozialarbeitern und Kulturbeauftragten, indem sie Stadtteile zur öffentlichen Galerie erklären, die aktive Teilhabe erlaubt.

Urban Art spricht mit ihrer einfachen Bildsprache den lokalen Kommunikationscode und greift systemische Strukturen der lokalen Wirklichkeit auf. Urban Art ist Freie Kunst.

Urban Artists sind international Reisende. Ihre Galerien entstehen weltweit dank der physischen Verkehrsvernetzung und medial erweitert im Internet. Das Internet erlaubt einen Überblick über das künstlerische Gesamtwerk auf einen Klick. Die Online-Galerien entstehen partizipativ in den sozialen Medien, Blogs, Maps, Apps und auf den Websiten der Künstler.

 Urban Art im ländlichen Raum

Die Entkopplung der Urban Art aus ihrem urbanem Setting befreit die Kunst von (Be-) Deutungsmustern, die in der komplexen Großstadtrealität wirksam werden. Weitest gehend unbeeinflusst von urbanen Kommunikationsmedien liegt der Fokus auf ortsspezifischen Bildinhalten und individuellen gestalterischen Mittel.

Mit der Entscheidung für den ruralen Raum emanzipieren sich Urban Artists gewissermaßen von ihrem Wirt, der Urbanität. Die Künstler entziehen sich im ruralen Setting dem vielfältigen Mix zwischen top down und bottom up verschiedener städtischer Interessengruppen und deren Omnipräsenz audiovisueller Informationensmedien. Im ländlichen Raum üben die Künstler den Schulterschluss mit der Natur und der Regionalkultur, statt sich mit mindestens kritischen wenn nicht gar politischen Positionen im Großstadtdschungel ihre Aufmerksamkeit zu erobern. Fernab steigen sie aus dem Höher, Schneller, Weiter-Spiel der lokalen Urban Galleries aus und werden Mittler zwischen urbanen und ruralen Codes.

Während Kunst im großstädtischen öffentlichen Raum eher einer Publikumsmesse für alle gleicht, hat der rurale Raum fast Offspace-Charakter: Die Künstler erklären den Ort zum Kunstort und nehmen die direkte soziokulturelle Umwelt mit. Ihre Partner sind die kommunale Verwaltung, Heimathistoriker, Vereine und Akteure der Zivilgesellschaft.

Die Kleinstadt bekommt keinen musealen Elfenbeinturm, keine informationsverdichtete Urban Gallery, die irgendwo zwischen Freier Kunst, Graffiti, Street Art und Werbung changiert. Sie bekommt Urban Art in ihrer Reinform, eine identitätsstiftende städtische Galerie.

Die Künstler begeben sich auf bildnerische Ortskunde, richten Spots auf vergessene Orte, Knotenpunkte der Stadtgeschichte. Sie öffnen mit ihrer künstlerischen Intervention einen Kommunikationsraum, der mit den gesprochenen Worten und der geformten Farbe gefüllt auf geographische Besonderheiten, Lokal- und Regionalgeschichte, sowie auf die soziokulturellen wie sozioökonomischen Situation und die persönliche Beziehung zwischen reisendem Künstler und Einheimischen verweist.

Durch die kollaborative Arbeitsweise entsteht eine zeitgenössische interkulturelle Art der Volkskunst mit lokal wie global lesbarer Bildsprache und Bildinhalten. So entsteht Kunst, die die lokale Realität in global bekannte Codes verwandelt, und authentische Monumente durch das Kunstwerk auszeichnet: Das eigene Haus, das des Nachbarn, die Schule und in Gänze die gesamte Stadt und die Region.

Denn die Künstler küssen mit ihren Werken meist in Vergessenheit geratene Kulturgüter und ganze Landstriche wach, die durch industriellen und demographischen Wandel umfangreichen Veränderungen ausgesetzt sind. Urban Art lenkt die Aufmerksamkeit vor Ort auf den Dialog zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Durch die mediale Erweiterung wird die Stadt zu einem zeitgenössischem interdisziplinären Gesamtkunstwerk.

Das Geheimnis? Back to the roots, think global, act local und Gastfreundschaft! Wallcome, Urban Art!

Autorin: Maxi Kretzschmar, Kunst- und Kulturmanagerin

Projekte:
www.ibug-art.de
www.wallcome.de

Lieraturtipp:
Kristin Klitzke/Christian Schmidt: Street Art – Legenden zur Straße. Berlin, 2009.

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Darf ich vorstellen? http://saugkultur.org/darf-ich-vorstellen/ http://saugkultur.org/darf-ich-vorstellen/#comments Mon, 17 Nov 2014 11:12:11 +0000 http://saugkultur.org/?p=1648 Weiterlesen ]]> Das Jugend- und Kulturzentrum mon ami in Weimar

Als ich 2007 lange nach dem obligatorischen Schulausflug Buchenwald/Weimar in der Klassikerstadt ankam, suchte ich, obwohl ganz zentral gelegen, 45 Minuten das Jugend- und Kulturzentrum mon ami. Weimar ist klein und hat viele Einbahnstraßen. Wähnt man sich am Ziel, ist man auch schon vorbei und die Runde beginnt von vorn.
Endlich angekommen begrüßte mich Helfried Schmidt, künstlerisch-pädagogischer Leiter im mon ami, herzlich mit den Worten, ob bei mir alles ok sei. Ich bejahte brav, schließlich war ich 2 Stunden zu spät zum Bewerbungsgespräch angekommen. Nach all den Jahren frage ich 7 Jahre später: mon ami, wie geht es Dir?

Helfried, das Sprachrohr des mon ami fängt an zu erzählen. Von früher!
1860 als Klubhaus „Erholung“ von der „Bürgerlichen Erholungsgesellschaft zu Weimar“ gegründet, waren der Komponist Franz Liszt, der Architekt Clemens Wenzeslaus Coudray und andere gern gesehene Gäste in dem neoklassizistischen Gebäude. Im 1. und 2. WK beherbergte das Gebäude kommunale Behörden. Der Saal wurde für Veranstaltungen genutzt, auch für Adolf Hitlers Brandreden! Nach dem 2. WK richtete sich die amerikanische Kommandantur für sechs Wochen in dem Gebäude ein und stellte Persilscheine aus. So hieß das „Klubhaus der Jugend Walter Ulbricht“ im Volksmund immer „der Ami“ bzw. „der schwule Ami“ und seit den 1970er Jahren in der Narrenzeit: „Komm ins mon ami“ und sie kamen! Bunte Gestalten, das Weimarer Bürgertum und die Menschen aus der Region, um Karneval zu feiern, als gäb´s keinen Aschermittwoch geschweige denn die DDR. Die Wirren der politischen Wende schließlich zog in den 1990er Jahren eine 3-jährige Sanierungspause nach sich, die mit dem Kulturstadtjahr 1999 ihr Ende fand. Mit neuem Konzept öffnete das mon ami als damals teuerstes soziokulturelles Zentrum mit einem Bau-Etat von 10 Mio DM seine Pforten für „Weimars Restkultur“ wie Helfried Schmidt die schier unmögliche Aufgabe beschreibt, eine offene Bühne für das Weimarer Kulturnetzwerk zu bieten, dabei aber dem hohen qualitativen Ansprüchen der Stadt gerecht zu werden. Bereits vor Wiedereröffnung lehnten die Stadtobersten mehrere Angebote von unterschiedlichen Weimarer Kulturinitiativen als zu teuer ab und seither ist das Jahresbudget mehr als begrenzt. Die ersten Jahre meisterte Helfried und sein Team sogar ohne Bühnenlicht, weil das Geld schlichtweg verbraucht war. Seither setzt die Stadtverwaltung auf Verschleiß an Haus und Profil, indem keine Investitionen getätigt werden und die freie Programmgestaltung durch ökonomischen Druck eingeschränkt wird.

Trotzdessen ist das mon ami zertifiziertes Ökoprofitunternehmen seit 2008 und vertritt den Sonderfall „Jugend- und Kulturzentren“, wo eigentlich Firmen und Stadtverwaltungen zertifiziert werden. Im mon ami bezieht sich der Ökoprofit auf den Umgang mit Beleuchtungstechnik sowie bei An- und Umbauten. Dabei ist das Ziel der Stadtverwaltung Weimar, das Haus in freie Trägerschaft zu bringen. Doch das Bürgerbegehren signalisiert kein Interesse an einer Übernahme und fordert freien Raum für das Weimarer Kultur-Netzwerk. Es soll Nachwuchsschmiede sein. Kooperationen mit anderen Veranstaltern eingehen. Es soll ins Stadtbild gehen. Wie gern würde Helfried wieder Fassadenprojektionen wie „Das rasende Bauhaus“ im Bauhausjahr 2009 machen!? Oder seinem Programm-Highlight „Weihnacht privat – Hubert und Harry laden zu weihnachtlichen Vorbereitungen“ auch in 5 Jahren eine sichere Bühne bieten!? Oder wie zur „15 Jahre Soziokultur Festwoche“ viele verschiedene Nutzergruppen zusammenführen und eine gemeinsame Kulturproduktion (Kirche vs. Zirkus) umsetzen!? Helfried lebt Soziokultur „Tag für Tag. Aber sie basiert auf Förderungen und als städtische Einrichtung haben wir kaum Fördermöglichkeiten.“ Helfried versteht mittelfristige Nachhaltigkeit als die Pflege tragender Partnerschaften sowie Planungssicherheit bis Ende nächsten Jahres intern und extern. Langfristig wünscht er sich 3 bis 5 Jahre Planungssicherheit.

Sein Fazit: „Es ist ein ewiges Hin und Her. Erst dieses Jahr haben wir zwei neue Konzeptionen mit a) Programm und b) Beseitigung von baulichen Mängeln des Hauses bei der Stadtverwaltung eingereicht, die werden aber stiefmütterlich behandelt. Dabei stelle ich die städtische Trägerschaft nie in Frage. Ich persönlich habe keine Zukunftsängste, aber die Zukunft für das mon ami sieht nicht rosig aus. Einerseits bemängeln die Menschen, dass das Haus profillos sei, andere loben genau das.“
Weimar ist klein und hat viele Einbahnstraßen. Wähnt man sich am Ziel, ist man auch schon vorbei und die Runde beginnt von vorn. Viel zu früh verabschieden sich Helfried und ich uns mit einem herzlichen „Lass es Dir gut gehen, mon ami.“

Maxi Kretzschmar in SOZIOkultur 1-2015
www.mon-ami.de

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Transformation der Industrie http://saugkultur.org/transformation-der-industrie/ http://saugkultur.org/transformation-der-industrie/#comments Wed, 29 Oct 2014 11:03:35 +0000 http://saugkultur.org/?p=1642 Weiterlesen ]]> Das Urban Culture Festival IBUg (Industriebrachenumgestaltung) in Trägerschaft des gemeinnützigen Vereins KulturTragWerk e.V. verwandelt Relikte des Industriezeitalters zu temporären Gesamtkunstwerken und begleitet den Wandel von der Industriekultur hin zur Kulturindustrie.
Bei dem jährlich von dem IBUg-Team organisierten Kunstfestival werden Industriebrachen in Westsachsen, dem Manchester des Ostens, für die internationale Graffiti-, Street Art- und Medienkunstszene geöffnet.
Der Verein setzt damit in einer Region, die durch industriellen und demographischen Wandel umfangreichen Veränderungen ausgesetzt ist, Impulse im kreativen Umgang mit der Vergangenheit und öffnet damit den Blick für Neues. Im kollaborativen Experiment mit Bildkulturen, Genres, Materialien und Techniken entsteht ortsspezifische Kunst, welche die Geschichte und Architektur der Brache aufgreift, aktuelles Zeitgeschehen spiegelt und verlassenen Mauern neues Leben einhaucht.
Die IBUg verwandelt Zeugen der sächsischen Industriekultur zu temporären Gesamtkunstwerken und einem einzigartigen Festivalgelände, wo urbane Kultur in Mode, Film, Musik, Design und Kunst gelebt wird.

Autorin: Maxi Kretzschmar im Blickwinkel, Unternehmensperiodikum der Brain AG
www.ibug-art.de

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Meine Kultur meets Wallcome http://saugkultur.org/meine-kultur-meets-wallcome/ http://saugkultur.org/meine-kultur-meets-wallcome/#comments Sat, 13 Sep 2014 11:18:34 +0000 http://saugkultur.org/?p=1553 Weiterlesen ]]> 2007 habe ich im Auftrag der LAG Soziokultur Thüringen e. V. das “Meine Kultur – Festival der Soziokultur in Thüringen” als mobiles Format für das soziokulturelle Thüringer Netzwerk aus der Taufe gehoben. Die ersten zwei Durchgänge 2008/2009 habe ich im Team umgesetzt und seither werde ich immer mal für kleinere Projekte angefragt. Beispielsweise für “1000 Kraniche für Steinach” oder wie dieses Jahr für eine Führung durch Schmalkalden und das Urban Art Festival Wallcome.

WALLCOME bringt Arbeiten von neun international renommierte Künstlern in der südthüringischen Kleinstadt Schmalkalden zusammen: Roa aus Belgien, Case, Akut, Tasso, Herakut und ECB (alle aus Deutschland), M-City aus Polen, Andrew Hem aus den USA, Know Hope aus Israel und Pixelpancho aus Italien. Auf Einladung der aus Schmalkalden stammenden Künstler Akut und Case schenken sie der Stadt eine unvergleichliche Galerie. Ich habe die Projektentwicklung inkl. Fundraising bis zu meiner Krankheit übernommen und nach Gensesung habe ich die Ausstellung “From the Streets in the Woods” im Schloss Wilhelmsburg cokuratiert und bei der PR unterstützt.

www.meinkultur.ino
www.wallcome.de

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Die Suche nach dem wahren Bild oder Digital Malewitsch http://saugkultur.org/die-suche-nach-dem-wahren-bild-oder-digital-malewitsch/ http://saugkultur.org/die-suche-nach-dem-wahren-bild-oder-digital-malewitsch/#comments Sat, 24 May 2014 12:37:59 +0000 http://saugkultur.org/?p=1521 Weiterlesen ]]> Eine Rezension eines Theaterabend im schönen Mai im schönen Weimar…

MXZEHN inszeniert im Deutschen Nationaltheater Weimar auf der großen Bühne “Zehn Quadrat” und das hat nix mit Quadraturen von Kreisen zu tun, sondern muss so. Das erste Mal seit 15 Jahren wohl bemerkt! Und das obwohl MXZEHN in Weimar das geworden sind, wofür sind bekannt sind: ephemere audiovisuelle Erlebnisse der Extraklasse.

Gong!

Stefan Kraus und Bahadir Hamdemir inszenieren Video theatral im Raum und beeindrucken Bauch und Brain gleichermaßen. Während die Anderen Stummfilmvertonung in 2D machen, macht MXZEHN großes Theater in 3D.

Gong!

4. Reihe, Mitte, yes!

Gong!

Die Bühne ist leer. Im hochgefahrenen Orchestergraben starten MXZEHN und die beiden Musiker Philipp Hiemann und Marc Sauter den Abend mit Scheinwerfern und einer sich über den Abend hervorragend entwickelnden Soundkulisse. Die Verhältnisse sind klar: rechts anolog, links digital.
Der einfahrende Monitor holt den Besucher bei seinen medialen Lesegewohnheiten ab. Zugleich erinnert er an eine Hommage an den Videopionier Nam June Paik und das pop artige Readymade, während die Scheinwerfer sich wie Suchscheinwerfer im Kampf um das nexte Bild gebärden. Einerseits inszenieren sie den faktischen Nebel im Saal, andererseits helfen sie den Nebel im medial unterschiedlich konditionierten Wahrnehmungsapparat der Besucher zu lichten. Jetzt geht´s los!
Eine weitere quadratische Leinwand mit 36 Rasterquadraten fährt ein, deren Mittelpunkt der Monitor bleibt. Zwischen klassischem Monitor und zeitgenössischer Leinwand scheint sich weniger sichtbar und dennoch omnipräsent die Geschichte der audiogetriggerten räumlichen Bilderflut und Videokunst zu entblättern. Während Alva Noto später ein kompaktes, in die Zeit gedehntes Bild zeigt, liest sich MXZEHN wie räumliches TV mit dreidimensionaler intermedialer Erzählstruktur. Wer jetzt immer noch in seinem gewohnten Rezeptionsverhalten verhaftet ist, wird mit rhythmisierten Buchstabenmustern eines Besseren belehrt. “Es ist, was es ist” scheint der ganze Raum sagen zu wollen. “Schaltet ab und kommt mit auf eine Reise mit 25 Masterpieces per seconds!”

MXZEHN sind trotz analogem Herzstück der medialen Welt verschrieben und erfüllen sich nach dem, wenn auch nonverbalen, doch fast scholastischem Intro ihren Traum des Ingenieurs. Sie nehmen das Publikum via animierte technische Zeichnungen, die noch Orientierung am Wahrnehmungshorizont des Publikums und damit des rationalisierten Alltags verspricht, mit in den Mittelpunkt der visuellen Technikwelt. Der Monitor vom Beginn weilt ruhig im Zentrum, während sich die projezierten Zahnräder stoisch um ihn drehen. Die hypnotische Wirkung beim Publikum lässt nicht lange auf sich warten und spätestens das zentrierte Feuerleuchten macht das digitale Lagerfeuer in seiner Wirkung perfekt – Massenhypnose per excellence! Und das in der Geburtsstätte der Hitlerjugend! Zufall? Absicht?
Pixelquadrate brechen Statistiken und Diagramme, die sich mit artifiziellen und doch natürlich anmutenden Bewegungen verschmelzen und so dem Bauhausgedanken der Einheit von Kunst und Technik einprägsame Bilder verleihen. Das aufgelayerte Raster wird zum Wahrnehmungsraster, das mal Blickrichtungen lenkt, um dann immer wieder das Bild zu brechen. Der Besucher fragt sich: Wie kann ich audiovisuell erfahrenes lesen? Wie erfasse ich den Sinn?
MXZEHN hat dafür eine Antwort: “Egal! Rave!” und legt über alles ihr MXZEHN-Raster, während die perfekt getimten Scheinwerfer die kollektive Besucherseele streicheln. Plötzlich wird es nahtodhell und die Assoziation zu Malewitschs Lebenswerk der schwarzen und weißen Quadrate drängt sich auf. Wenn Malewitsch ein Zeitgenosse wäre, würde er bestimmt minimalhörender Weise Medienkunst mit abertausenden Ebenen produzieren auf der Suche nach den perfekten schwarzen und weißen Quadraten… (aka Der Traum einer Kunstverständigen :-))

Zu Beginn des Outros befindet sich der Monitor wieder dort, wo er hingehört – im Zentrum der quadratischen Leinwand! Die Geschwister unterschiedlicher Generationen werden mit MXZEHN Classics, dem bereits bekanntem Raster und grafischen Grundelement bespielt und vereinen mühelos 50 Jahre Videokunstgeschichte. Das digital Bauhaus hat es ins Theater geschafft! Schlemmer wäre schon ein bisschen stolz auf die Weimarer Videopioniere…
Jedoch, der Tanz um den goldenen Minitor nimmt ein abruptes Ende, frei nach dem Motto: “Wenns am schönsten ist, soll man gehen.”
Und das tun die 4 Herren schließlich auch, nachdem sie das begeisterte Publikum euphorisch beklatschte.

tbc

www.mxzehn.com
www.alvanoto.com

Autorin: Maxi Kretzschmar, Kunst- und Kulturmanagerin

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