Darf ich vorstellen?

Das Jugend- und Kulturzentrum mon ami in Weimar

Als ich 2007 lange nach dem obligatorischen Schulausflug Buchenwald/Weimar in der Klassikerstadt ankam, suchte ich, obwohl ganz zentral gelegen, 45 Minuten das Jugend- und Kulturzentrum mon ami. Weimar ist klein und hat viele Einbahnstraßen. Wähnt man sich am Ziel, ist man auch schon vorbei und die Runde beginnt von vorn.
Endlich angekommen begrüßte mich Helfried Schmidt, künstlerisch-pädagogischer Leiter im mon ami, herzlich mit den Worten, ob bei mir alles ok sei. Ich bejahte brav, schließlich war ich 2 Stunden zu spät zum Bewerbungsgespräch angekommen. Nach all den Jahren frage ich 7 Jahre später: mon ami, wie geht es Dir?

Helfried, das Sprachrohr des mon ami fängt an zu erzählen. Von früher!
1860 als Klubhaus „Erholung“ von der „Bürgerlichen Erholungsgesellschaft zu Weimar“ gegründet, waren der Komponist Franz Liszt, der Architekt Clemens Wenzeslaus Coudray und andere gern gesehene Gäste in dem neoklassizistischen Gebäude. Im 1. und 2. WK beherbergte das Gebäude kommunale Behörden. Der Saal wurde für Veranstaltungen genutzt, auch für Adolf Hitlers Brandreden! Nach dem 2. WK richtete sich die amerikanische Kommandantur für sechs Wochen in dem Gebäude ein und stellte Persilscheine aus. So hieß das „Klubhaus der Jugend Walter Ulbricht“ im Volksmund immer „der Ami“ bzw. „der schwule Ami“ und seit den 1970er Jahren in der Narrenzeit: „Komm ins mon ami“ und sie kamen! Bunte Gestalten, das Weimarer Bürgertum und die Menschen aus der Region, um Karneval zu feiern, als gäb´s keinen Aschermittwoch geschweige denn die DDR. Die Wirren der politischen Wende schließlich zog in den 1990er Jahren eine 3-jährige Sanierungspause nach sich, die mit dem Kulturstadtjahr 1999 ihr Ende fand. Mit neuem Konzept öffnete das mon ami als damals teuerstes soziokulturelles Zentrum mit einem Bau-Etat von 10 Mio DM seine Pforten für „Weimars Restkultur“ wie Helfried Schmidt die schier unmögliche Aufgabe beschreibt, eine offene Bühne für das Weimarer Kulturnetzwerk zu bieten, dabei aber dem hohen qualitativen Ansprüchen der Stadt gerecht zu werden. Bereits vor Wiedereröffnung lehnten die Stadtobersten mehrere Angebote von unterschiedlichen Weimarer Kulturinitiativen als zu teuer ab und seither ist das Jahresbudget mehr als begrenzt. Die ersten Jahre meisterte Helfried und sein Team sogar ohne Bühnenlicht, weil das Geld schlichtweg verbraucht war. Seither setzt die Stadtverwaltung auf Verschleiß an Haus und Profil, indem keine Investitionen getätigt werden und die freie Programmgestaltung durch ökonomischen Druck eingeschränkt wird.

Trotzdessen ist das mon ami zertifiziertes Ökoprofitunternehmen seit 2008 und vertritt den Sonderfall „Jugend- und Kulturzentren“, wo eigentlich Firmen und Stadtverwaltungen zertifiziert werden. Im mon ami bezieht sich der Ökoprofit auf den Umgang mit Beleuchtungstechnik sowie bei An- und Umbauten. Dabei ist das Ziel der Stadtverwaltung Weimar, das Haus in freie Trägerschaft zu bringen. Doch das Bürgerbegehren signalisiert kein Interesse an einer Übernahme und fordert freien Raum für das Weimarer Kultur-Netzwerk. Es soll Nachwuchsschmiede sein. Kooperationen mit anderen Veranstaltern eingehen. Es soll ins Stadtbild gehen. Wie gern würde Helfried wieder Fassadenprojektionen wie „Das rasende Bauhaus“ im Bauhausjahr 2009 machen!? Oder seinem Programm-Highlight „Weihnacht privat – Hubert und Harry laden zu weihnachtlichen Vorbereitungen“ auch in 5 Jahren eine sichere Bühne bieten!? Oder wie zur „15 Jahre Soziokultur Festwoche“ viele verschiedene Nutzergruppen zusammenführen und eine gemeinsame Kulturproduktion (Kirche vs. Zirkus) umsetzen!? Helfried lebt Soziokultur „Tag für Tag. Aber sie basiert auf Förderungen und als städtische Einrichtung haben wir kaum Fördermöglichkeiten.“ Helfried versteht mittelfristige Nachhaltigkeit als die Pflege tragender Partnerschaften sowie Planungssicherheit bis Ende nächsten Jahres intern und extern. Langfristig wünscht er sich 3 bis 5 Jahre Planungssicherheit.

Sein Fazit: „Es ist ein ewiges Hin und Her. Erst dieses Jahr haben wir zwei neue Konzeptionen mit a) Programm und b) Beseitigung von baulichen Mängeln des Hauses bei der Stadtverwaltung eingereicht, die werden aber stiefmütterlich behandelt. Dabei stelle ich die städtische Trägerschaft nie in Frage. Ich persönlich habe keine Zukunftsängste, aber die Zukunft für das mon ami sieht nicht rosig aus. Einerseits bemängeln die Menschen, dass das Haus profillos sei, andere loben genau das.“
Weimar ist klein und hat viele Einbahnstraßen. Wähnt man sich am Ziel, ist man auch schon vorbei und die Runde beginnt von vorn. Viel zu früh verabschieden sich Helfried und ich uns mit einem herzlichen „Lass es Dir gut gehen, mon ami.“

Maxi Kretzschmar in SOZIOkultur 1-2015
www.mon-ami.de

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