Wächter gesucht! Besetzen war gestern…

So die Hoffnung des Wächterhaus e. V. um Stadtratsmitglied Urs Warweg (SPD), der sich um unkonventionelle Nutzungsideen für gefährdete Gebäude bemüht

Die Infrastruktur um die Eckbebauung Talstraße 15/16 ist sehr gut ausgebaut und die Außenwirksamkeit gegeben. Spuren von Vandalismus sind in den 60 bis 70 qm großen Wohnungen nicht zu sehen. Die Fassade und die Fenster sind in Ordnung, der Keller trocken. Das Gebäude ist ohne Müll, das Dach dicht. So klingt die Beschreibung von offizieller Seite des wahrscheinlich ersten Wächterhauses in Erfurt. Es befindet sich genau an der Stelle, wo sich Berg in Tal wandelt, oder besser die Talstraße zur Bergstraße wird. Zeit, Bergfest zu feiern!
Das Wächterhauskonzept ist ein Projekt des Leipziger Vereins Haushalten e. V. und gibt gefährdeten Gebäuden durch unkonventionelle Nutzungsideen neue Perspektiven. Seit 2008 ist das Konzept Bundesmodellprojekt und wird in acht deutschen Städten umgesetzt. Unter anderem in Erfurt, wo sich seit seiner Gründung im April des letzten Jahres der Wächterhaus e. V. um eine geeignete Immobilie bemühte und sie nun endlich gefunden hat.
Haushalten e. V. aus Leipzig und Wächterhaus e. V. aus Erfurt sehen ihre Aufgabe darin, ratlose Eigentümer leerstehender Gebäude und potentielle Nutzer zusammenzubringen. Die Wächter übernehmen für die Zeitspanne von fünf Jahren die Verantwortung für das Haus.
Seit 2004 ermöglichen Wächterhausvereine die Instandhaltung brachliegender Jugendstil- und Gründerzeithäuser, die auf Grund der Kreuzungslage schwer zu vermitteln sind. Die ehemaligen Wohnungen werden durch soziokulturelle Initiativen und kreativwirtschaftliche Kleinunternehmen umgenutzt. So entstehen Tanzstudios, künstlerische Werkstätten oder Architekturbüros. Die Wächter übernehmen für die Zeitspanne von fünf Jahren die Verantwortung für das Haus. Die vielfältige Nutzung bewahrt die Häuser vor dem Verfall. Die Ladenflächen im Erdgeschoss werden als Klubs, Kneipen oder Kulturzentren umgenutzt und beheimaten zumeist gemeinnützige Vereine oder Initiativen. Die Häuser entwickeln sich so zu alternativen Kreativzentren und ermöglichen durch die Nähe der unterschiedlichen Nutzer neue Synergien und Formen der Zusammenarbeit.
Daneben entwickeln sich in den Seitenstraßen erste Wohnprojekte nach dem Wächtermodell. Die kulturelle Nutzung spielt aber weiterhin eine große Rolle und die Bewohner veranstalten für sich und die Nachbarschaft Kinoabende, Tischtennisturniere und Hausfeste. Die Wächter tragen so wichtige Arbeit zur Stadteilkultur bei. Nicht selten werden aus Hausfesten Straßenfeste…
Vorerst ist genau dieses Szenario für Erfurt (noch) Zukunftsmusik, aber Tor und Tür sind aufgestoßen, die Schwelle übertreten. Gebäude wie in der Talstraße müssen in Nutzung kommen, so das Verwaltungsdeutsch der Vereinsmitglieder. Immerhin gibt die Stadt jährlich 155.000,00 Euro für leerstehende Häuser aus und das bei einem Wertverlust von 25.000,00 Euro pro Jahr. Das ist auch dem Stadtrat dank zahlreicher Anfragen des Vereins bewusst. Warum also nicht aus der Not eine Tugend machen und bei relativ geringem Investitionsvolumen Initiativen und Vereinen ein Dach bieten und so eventuellen Schäden im selbigen vorbeugen?! Interessierte gibt es sicher, nun müssen die rechtlichen Aspekte wie Versicherung, Nutzungsordnung und Vertragliches geklärt werden. Hierbei soll von Anfang an eng mit der Stadtverwaltung zusammengearbeitet werden, indem die Stadt dem Wächerhausverein das Haus für die Nutzung zur Verfügung stellt. Der Verein wäre dann für die Verwaltung des Gebäudes und die eventuelle Überführung in ein Selbstnutzerkonzept nach Ende des Fünfjahresvertrags verantwortlich. Neben der Talstraße kommen für den Verein die Stadtteile Erfurt Nord und Ilversgehofen um das AJZ, die Villa des Klanggerüst e. V. und das Malzwerk für weitere Nutzungsideen in Frage.
Mehr Informationen im nächsten hEFt. Ganz Eiligen sei die Wächterhaustagung in Leipzig am 24. und 25. September 2009 empfohlen. Ziel der Tagung ist es, gemeinsam mit Vertretern aus Verwaltung, Politik und Wissenschaft sowie lokalen Akteuren und Initiativen Erfahrungen zum Thema “Zwischennutzungen von Gebäuden als Handlungsinstrument der Stadtentwicklung” auszutauschen. Mehr Informationen unter haushalten.org

Maxi Kretzschmar in hEFt für literatur, stadt und alltag, Oktober 2009, Du und ich in der Hängematte

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